#GlaubAnMich – oder: Warum ich trotz Kündigung meine Ecken und Kanten behalten werde

#GlaubAnMich

Vor 1 Monat habe ich nach 19 erfolgreichen Jahren dennoch meinen Job verloren, „weil ich nicht genügend angepasst sei“, „weil ich nicht gleich mit schwimme, sondern zuerst unangenehme Fragen stelle“, „weil ich immer wieder mit neuen Ideen nerve“ – kurz: weil ich kein bequemer Mitarbeiter war. Meine Sicht, warum ich das dennoch nicht ändern möchte.

Hätte mich jemand vor der Banking & Innovation Konferenz im November 2019 gefragt, ob Evolutionstheorie und Wirtschaft gemeinsame Berührungspunkte haben – da hätte ich vermutlich verneinend den Kopf geschüttelt. Ein Vortrag von Dr. Christian Rammel (WU-Wien) hat mir jedoch die Augen geöffnet – und viele interessante und überraschende Einsichten gebracht.

Seine Schlüsselerkenntnisse auf den Punkt gebracht:

  1. Es sind die Fehler-im-System, die Querdenker, die Nichtangepassten, die Beharrlich-gegen-den-Strom-Schwimmenden – also all die Elemente, die das System als „störend“ bezeichnet – genau diese Elemente sind diejenigen, die ironischerweise nachhaltig das Fortbestehen einer Spezies bzw. eines Systems sicherstellt.
  2. ohne ein Vorkommen von solchen „System-Fehlern“ gehen perfekt angepasste Systeme zugrunde

Als eines seiner vielen Beispiele nennt er den Megaloceros giganteus. Eine im Selektionsverfahren der Evolution absolut perfekt angepasste Spezies:

  • Weibchen bevorzugen Männchen mit größtmöglichem Geweih
  • Männchen entwickeln die größtmöglichen Geweihe (mit einer Spannweite bis zu 3,50m!)
  • PERFEKT !

Ja, eh – nur leider: ausgestorben… Ob es tatsächlich die stärkere Ausbreitung der Wälder war (nehmen Sie versuchsweise einmal eine 3,5m lange Stange und versuchen Sie doch damit, sich in einem Wald zwischen den Bäumen von – sagen wir – Wölfen nicht erwischen zu lassen), oder menschliche Jäger oder ob die notwendigen Nährstoffe für den jährlichen Aufbau des Geweihs nicht mehr ausreichten – EGAL. Megaloceros giganteus ist ausgestorben – weil er sich den veränderten Umweltbedingungen nicht anpassen konnte.

Nettes Bild – und was hat das mit mir zu tun?

In einem 200 Jahre alten Umfeld habe ich versucht, die Notwendigkeit und mittlerweile auch Dringlichkeit von neuen bzw. geänderten Umweltbedingungen aufzuzeigen: von Kosten -> hin zu Wertbeitrag; von Projektmanagement -> zu iterativem und agilem Vorgehen; von Command&Control -> zu Trust, Selbstorganisation und Servant-Leadership; statt Hierachie und Linienmanagement -> Netzwerke und Team-Organisation; weniger „Human Resources“ -> mehr: Menschen; …

Aufbau und Entwicklung von Business Agilität sind ein wesentlicher Schlüssel für das Überleben in der heutigen Wirtschaft.

Meine Absicht hinter all diesen Themen war immer einfach – ich habe gesehen / gehört / gespürt / erlebt, dass meine Kollegen und Mitarbeiter immer unruhiger wurden; unzufrieden, mit der Arbeitssituation; nicht abgeholt; ohne Entwicklungs- und Verwirklichungsmöglichkeiten; nicht respektiert / nicht wertgeschätzt / schon gar nicht vertraut… Und es war meine Überzeugung, dass dies die Anzeichen von geänderten Umweltbedingungen sind – auf die wir dringend hätten reagieren müssen. Deshalb habe ich mit all meiner Energie in diese Richtungen gearbeitet – damit wir alle vorbereitet sind.

Im 360° Feedback an mich waren die Top-down Rückmeldung sehr klar: „professionell, strategisch, innovativ – aber: unbequem“.

Ganz anders jedoch die Reaktionen aus den Reihen meiner Peers und Kolleg*innen. Da kamen ganz andere Wahrnehmungen von mir als Person: menschlich, wertschätzend, respektvoll, vertrauensvoll, unpolitisch, verständnisvoll, unterstützend, …

Da wurde mir klar, dass ich die für mich wesentlichen Werte offensichtlich vermitteln und auch vorleben konnte.

Mensch sein, das heißt in meinem Weltbild auch „sich selbst treu sein“. Am besten fühle ich mich, wenn ich ganz sein kann – nicht eine geteilte Persönlichkeit mit einem Teil Business und einem anderen, völlig losgelösten (vielleicht sogar anders denkenden) Teil Privat. Nur wo ich ganz / kongruent sein kann, dort kann ich mich auch wohlfühlen, mich entfalten und letztlich meine Bestleistungen bringen.

Der Fluss meines Lebens hat mich nicht nur rund geschliffen – sondern er hat mir auch einige Ecken und Kanten verschafft. Das sind nämlich meine Grundüberzeugungen, meine positiven Lebenserfahrungen, meine Werte – die kann man nicht rund schleifen. Die kann man nur brechen – und das lasse ich nicht zu.

Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht oder sind in einer vergleichbaren Situation? Wie lösen Sie diese Herausforderung? Wie weit biegen Sie sich, um Ihren Job zu behalten?

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